Zwischen Wirklichkeit und Fiktion: Architektur im Buch

DIETTERLIN, Wendel:
Architectvra / de / Constitutione, / Symmetria, ac Proportione / quinq; Columnarum: / ac omnis, inde Proma- / nantis structurae artificiosae: vtpote Fenestrarum, / Caminorum, Postium seu Portalium, Pontium, / atq; Epitaphiorum. […]
Norinbergae, Impensis Huberti & / Balthasari Caymox. / 1598.

Signatur: 7.555, ehemals Bestand der Bibliothek des Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereines, 1989 von der UBTUW als Schenkung übernommen. Standort: U2.

Maße: 27,5 x 35,5 cm.

Einfacher Pappeinband des 19. Jh., Rücken fehlt, Bindung gelockert.

2 Vorsatzbl., rad. Tit. (Latein), Porträtradierung, rad. Taf. 4, 6, 8-22, 24-43, rad. Tit. (Architecturae / Liber secundus: / De dorica), 1 (nicht rad.) Bl., rad. Taf. 46-92, rad. Tit. (Architecturae / Liber tertius: / De ionica), 1 (nicht rad.) Bl., rad. Taf. 95-133, rad. Tit. (Architecturae / Liber quartus: / De corinthia), 1 (nicht rad.) Bl., rad. Taf. 136-173, rad. Tit. (Architecturae / Liber quintus: / De composita), 1 (nicht rad.) Bl., rad. Taf. 176-206, 208, 2 Nachsatzbl.

Zweite, vermehrte Auflage. Die erste Auflage erschien 1593/94 in Stuttgart in zwei Bänden.

Lateinischer Titel; lateinisch-französischer Paralleltext auf den Zwischentitelblättern der fünf Bücher „Rustica“, „Dorica“, „Ionica“, „Corinthica“ und „Composita“.

Es fehlen wohl die radierten Tafeln 3, 5, 7, 23, 207 und 209. Die radierten Zwischentitel und die in Buchdruck hergestellten Textblätter sind in der Nummerierung der Tafeln mitgezählt, weshalb in diesen Bereichen alles vollständig zu sein scheint.

Mit 203 (von 209) eigenhändigen Radierungen (nach anderen Autoren: Kupferstichen).

Gescannt am 2. und 30.7.2010.
Externes Volltext-Digitalisat der Ausgabe mit deutschem Titel der UB Heidelberg: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/dietterlin1598, 24.5.2010

DIETTERLIN, Wendel:
Architectura / Von Außtheilung / Sym- / metria und Proportion der / Fünff Seulen, / Und aller darauß volgender Kunst Arbeit, / von Fenstern, Caminen, Thürgerichten, Portalen, Bronnen und Epita- / phien. [...] Getruckt zu Nürnberg, in verlegung / Balthasar. Caymox / 1598.

Signatur: 30.658 II (laut Altem Bandkatalog noch: 30.658 III), Standort: Eiserne Kasse. Alter Bestand der Bibliothek

Maße: 28 x 36 cm.

Pergamenteinband des 18. Jh., dieser gut erhalten.

Vorsatzbl., rad. Frontispiz mit Autorenporträt, rad. Kupfertit. (in deutscher Sprache), 2 nicht num. Bl., 1 rad. Taf., 1 nicht num. Bl., rad. Taf. 3-43, 1 rad. Tit., 1 nicht num. Tit., rad. Taf. 46-92, 1 rad. Tit., 1 nicht num. Bl., rad. Taf. 94-133, 1 rad. Tit., 1 nicht num. Bl., rad. Taf. 136-173, 1 rad. Tit., 1 nicht num. Bl., rad. Taf. 176-209, 1 nicht num. Bl. (Druckervermerk verso), Nachsatzbl.

Bis auf die wenigen zwischengebundenen Textblätter sind alle Titelblätter und Abbildungen radiert.

Es könnte sich hier aber auch um eine Ausgabe des 17. Jh. handeln, für die man die originalen Kupferplatten nochmals benutzte. Teilweise sind die Abzüge bereits recht flau; auch das Papier spricht für eine spätere Entstehung.

Mit 209 eigenhändigen Radierungen (nach anderen Autoren: Kupferstichen).

Gescannt am 9.7.2010.
Externes Volltext-Digitalisat der Ausgabe mit deutschem Titel der UB Heidelberg: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/dietterlin1598, 24.5.2010


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Wendel (oder Wendling bzw. Wendelin Grapp, genannt:) Dietterlin (* 1550 oder 1551, Pfullendorf/Bodensee; + um 1599)

Der bei Philipp Memberger in Konstanz als Maler ausgebildete Wendel Dietterlin hatte sich um 1570 in Straßburg niedergelassen, wo er Gemälde größten Formates auf Fassaden und Decken ausführte und dadurch bald auch außerhalb der Stadt zu Ansehen gelangte: Von seinen wohl umfangreichsten, 1590 bis 1593 entstandenen Arbeiten im Neuen Lusthaus zu Stuttgart sind nur Vorzeichnungen geblieben, die Dietterlin als bedeutenden, an Michelangelo erinnernden Künstler zeigen, der sich kaum an ikonographische Konventionen hielt. In seinen letzten Lebensjahren beschäftigte sich Dietterlin auf der Grundlage der vergleichsweise „akademischen“ Säulenlehren von Sebastiano Serlio (ab 1537) und Hans Blum (1550) mit ihren kanonisierten Ordnungen „Rustica“, „Dorica“, „Ionica“, „Corinthia“ und „Composita“ eingehend mit architekturtheoretischen Fragen. Angeregt von Hans Vredeman des Vries´ „Architectura“ (1577)(> VREDEMAN DE VRIES), die ihrerseits schon gewagte, sehr von den antiken Idealen eines Vitruv abweichende Ideen vorstellte, zeichnete er seine weit darüber hinausgehenden, phantastischen, kleinteiligen Entwürfe, die er auch selbst in Radierungen von hoher künstlerischer Qualität umsetzte. In den Jahren 1593 und 1594 erschienen erste Teilbände der „Architectura“; das Gesamtwerk mit 209 Tafeln und nur wenigen schriftlichen Erläuterungen wurde jedoch erst 1598 in kleiner Auflage veröffentlicht. Dietterlin zeigte nicht nur „plakativ“ Säulen, Brunnen, Fenster, Portale, Kamine und Epitaphe, deren Architekturdetails von einer Unzahl verschiedenster Ornamente und Lebewesen nahezu überwuchert werden, er versuchte auch, die Ordnungen symbolisch zu deuten: So werden zum einen konkrete Vorlagen für Maler, Architekten und Bildhauer geboten, zum anderen intellektuelle Annäherungen an Antikes und Christliches, Jahreszeiten und Lebensalter, Natur und Kunst innerhalb der Bilderfolgen versucht. Der Einfluß dieses immer als außergewöhnlich betrachteten, für die künstlerische Praxis nur schwer nutzbaren Werkes war nicht allzu groß, doch immerhin bis weit ins 17. Jahrhundert hinein vorhanden und heute noch nachweisbar. In der Bibliothek werden zwei Exemplare aufbewahrt und hier vorgestellt: Die vom Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein übernommene, unvollständige „Architectura“ mit lateinischem Titel ist vermutlich die Erstausgabe von 1598, während es sich beim zweiten Exemplar mit deutschem Titel wohl um einen Nachdruck mit den originalen Platten, vielleicht um jenen von 1655, handelt.

Literatur:

    Pirr, Margot, Die Architectura des Wendel Dietterlin, Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades ... der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, Gräfenheinichen, o. J. [1940].
    Architectura, The fantastic engravings of Wendel Dietterlin, A reprint of the 1598 ed. Of his Architectura (Mit einer Einführung von Adolf K. Placzek), New York, 1968.
    Lechner, Gregor Martin, Theorie der Architektur, Stift Göttweig, Graphisches Kabinett, Jahresausstellung 1975, Katalog, Göttweig, 1975, S. 67.
    Evers, Bernd, Zimmer, Jürgen, Wendel Dietterlin, in: Architekturtheorie von der Renaissance bis zur Gegenwart, 89 Beiträge zu 117 Traktaten, Köln, u.a., 2003, S. 520-529.
    Krufft, Hanno-Walter, Geschichte der Architekturtheorie, München, 2004, S. 190-191.
    Großmann, G. Ulrich, Dietterlin, Wendel, in: Allgemeines Künstlerlexikon (lizenzierter Zugang: www.ub.tuwien.ac.at, 27.7.2010).