Zwischen Wirklichkeit und Fiktion: Architektur im Buch

FISCHER VON ERLACH, Johann Bernhard:
[Erstes Buch:] Entwurff / Einer Historischen Architectur, / In Abbildung unterschiedener berühmten Gebäude, / des Alterthuns, und fremder Völcker, / Umb aus den Geschicht-Büchern, Gedächtnüß-müntzen, Ruinen, und / eingeholten wahrhafften Abrißen, vor Augen zu stellen. / In dem ersten Buche. / Die von der Zeit vergrabene Bau-Arten der alten Jüden, Egyptier, Syrer, Perser und Griechen. [...]
Wien, MDCCXXI. [1721]

[Zweites Buch, deutscher Titel:] Andres Buch, / von / einigen alten unbekanten / Römischen Gebäuden. [...]

[Viertes Buch, deutscher Titel:] Viertes Buch, / einige Gebäude / von des Autoris Erfindung und Zeichnung. [...]

[Fünftes Buch bzw. Anhang:] Divers Vases Antiques, / Aegyptiens, Grecs, Romains, / & Modernes: / avec / Quelques uns de l´invention de l´Auteur.

Signatur: 3.430 V. Standort: Eiserne Kasse. Alter Bestand der Bibliothek.

Maße: 60,5 x 42,5 cm (querformatig).

Halbledereinband des späten 19. Jh., dieser leicht berieben und v. a. am Rücken beschädigt.

2 Vorsatzbl., 5 Bücher in einem Band mit 5 Kupfertit.; Textblätter und Kupfertafeln abwechselnd gebunden, Textblätter nicht numeriert (handschriftliche Blattzählung für das Gesamtwerk: 1-137); Nachsatzbl.
1. Buch: 20 Kupfertaf., 2. Buch: 15 Kupfertaf., 3. Buch: 15 Kupfertaf., 4. Buch: 20 Kupfertaf., 5. Buch: 13 Kupfertaf.

Mit Kupferstichen von Johann Adam Delsenbach, Johann Ulrich Kraus und anderen nach Zeichnungen von Johann Bernhard und Joseph Emanuel Fischer von Erlach.

Gescannt am 29.7.2010.
Externes Volltext-Digitalisat der Ausgabe Leipzig, 1725, der UB Heidelberg: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/fischer1725 )


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Johann Bernhard Fischer von Erlach (* (getauft am 20. Juli) 1656, Graz; + 5. April 1723, Wien)

Johann Bernhard Fischer (seit 1696: von Erlach) wurde in der Grazer Werkstatt seines Vaters als Steinmetz ausgebildet, ehe er 1670 oder 1671 nach Rom reiste und zunächst im Atelier des päpstlichen Baumeisters und Hofmalers Philipp Schor arbeitete, wo er im Rahmen seines Berufes als Modelleur und Bossierer auch die Architekturtheorie von Grund auf kennenlernte. Darüber hinaus hatte Fischer von Erlach Gelegenheit, Mitarbeiter der Werkstatt des berühmten römischen Architekten Gianlorenzo Bernini kennenzulernen und im Gelehrtenkreis um die in Rom lebende Königin Christina von Schweden Aufnahme zu finden, zu dem etwa Giovanni Pietro Bellori und Athanasius Kircher gehörten. Dadurch wurde es Fischer von Erlach ermöglicht, sich eingehend mit der Antike und ihrer Baukunst sowie mit der beginnenden wissenschaftlichen Archäologie zu befassen. Im Anschluß an einen Aufenthalt in Neapel von 1682 bis 1685 reiste der mittlerweile ausschließlich als Architekt arbeitende Fischer von Erlach spätestens 1687 nach Wien, wo er aufgrund seiner umfassenden Kenntnisse der populär gewordenen italienischen Baukunst mit offenen Armen empfangen und nicht nur von einflußreichen Adeligen, sondern selbst von Kaiser Leopold I. rasch mit zahlreichen Aufträgen bedacht wurde. Als wichtigste Bauwerke dieser ersten erfolgreichen Schaffenszeit kurz vor 1700 seien hier nur der ovale Ahnensaal des mährischen Schlosses Frain an der Thaya / Vranov nad Dyjí für die Grafen Althan (1687-1695), das „zweite“ Schloss Schönbrunn bei Wien (Planungen ab 1688, Bau in stark reduzierter Gestalt 1696 – 1701), die Dreifaltigkeitskirche (1694 –1702), die Kollegienkirche (1696-1707) und die Ursulinenkirche (1699-1705) in Salzburg sowie das Palais des Prinzen Eugen in Wien (1697 – 1702, dann von Johann Lucas von Hildebrandt weitergeführt) genannt. In einer Zeit des beruflichen Stillstandes begann Fischer von Erlach 1705 an der „Historischen Architectur“ zu arbeiten, deren Manuskript er 1712 gemeinsam mit fast allen gestochenen Illustrationen Kaiser Karl VI. zu dessen Inthronisation überreichte. In seinen späten Jahren konnte Fischer von Erlach wieder häufiger bauen und entwerfen; es entstanden nun beispielsweise das Palais Trautson (1712) sowie die durch seinen Sohn Joseph Emanuel fertiggestellten Bauten der Hofstallungen (1713 – 1725), der Karlskirche (1716 – 1737) und der Hofbibliothek (1723 – 1726) (> KLEINER, 1737). Wohl nicht zuletzt deshalb verzögerte sich der Erstdruck der ergänzten und überarbeiteten „Historischen Architectur“ mit ihren nun 83 hochwertigen, meist von Johann Adam Delsenbach gestochenen Ansichten noch bis 1721; weitere Ausgaben erschienen 1725 und 1742 in Leipzig sowie 1730 und 1737 in London. Fischer von Erlach gliederte sein Werk in fünf Bücher, von denen das erste den Salomonischen Tempel, die Sieben Weltwunder und die Gebäude der Juden, Syrer, Ägypter und Griechen, das zweite die Bauten der Römer, das dritte die islamische und ostasiatische Architektur, das vierte eigene Entwürfe und das fünfte antike Vasen vor barocken Pavillons und Lusthäusern behandelt. Auf der Grundlage von verfügbaren Ansichten und Texten versuchte Fischer von Erlach in dieser ersten vergleichenden Weltgeschichte der Architektur eine gewissenhafte Rekonstruktion zerstörter Gebäude. Obwohl viele Darstellungen ausgesprochen phantastisch wirken und vermutlich nicht ganz unbeabsichtigt an eigene Planungen erinnern, beweisen sie in Anbetracht des damaligen Forschungsstandes eine erstaunliche archäologische Kenntnis und ein beachtliches historisches Einfühlungsvermögen des Verfassers. In der Nachfolge anderer selbstbewusster Architekten wie etwa Andrea Palladio (> PALLADIO) hat auch Fischer von Erlach die eigenen, oben angeführten Werke als bedeutendste Leistungen am Ende seines Buches vorgestellt. Die Veduten der darin präsentierten Wiener Bauten entstanden kurz vor den Stichfolgen Joseph Emanuel Fischer von Erlachs (> FISCHER VON ERLACH, 1719) und Salomon Kleiners (> KLEINER, 1724-1737) und zählen somit zu den frühesten derartigen Ansichten aus dieser Stadt.

Literatur:

    Kunoth, George, Die „Historische Architektur“ Fischers von Erlach (Bonner Beiträge zur Kunstwissenschaft, 5), Düsseldorf, 1956.
    Entwurf einer historischen Architektur [stark verkleinertes Reprint], Mit einem Nachwort von Harald Keller (Die bibliophilen Taschenbücher, 18), Dortmund, 1978.
    Lorenz, Hellmut, Johann Bernhard Fischer von Erlach, Zürich, München, London, 1992.
    Sedlmayr, Hans, Johann Bernhard Fischer von Erlach, von Giovanna Curcio überarbeitete Neuausgabe der 2. Auflage von 1976, Stuttgart, 1997.
    Evers, Bernd, Zimmer, Jürgen, Joseph Furttenbach d. Ä., in: Architekturtheorie von der Renaissance bis zur Gegenwart, 89 Beiträge zu 117 Traktaten, Köln, u.a., 2003, S. 574-585.
    Krufft, Hanno-Walter, Geschichte der Architekturtheorie, München, 2004, v. a. S. 205-207.
    Köhler, Johanna, Johann Bernhard Fischer von Erlach, Entwurff einer historischen Architectur ..., in: Salge, Christiane, Architekturtraktate im Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis, Beispiele aus der Rara-Sammlung der Kunsthistorischen Bibliothek, Freie Universität Berlin, Katalog (Ausstellungsführer, 46), Berlin, 2008, S. 74-80.
    Kreul, Andreas, Fischer von Erlach, Johann Bernhard, in: Allgemeines Künstlerlexikon (lizenzierter Zugang: www.ub.tuwien.ac.at, 30.7.2010).