Zwischen Wirklichkeit und Fiktion: Architektur im Buch

FISCHER VON ERLACH, Joseph Emanuel,
(FISCHER VON ERLACH, Johann Bernhard, DELSENBACH, Johann Adam):
[Gestochenes Titelblatt, deutscher Titel:] Anfang / einiger Vorstellungen der Vornehmsten Gebäude / so wohl innerhalb der Stadt als in denen Vorstädten von Wien: / wovon mit der Zeit das abgehende nachfolgen soll. [...]
[Gestochenes Frontispiz, deutscher Titel:] Prospecte und Abriße einiger / Gebäude von Wien. / daselbst gezeichnet von J. E. F. v. E. / Man ist bedacht das übrige nächstens herauszugeben. [...]

Signatur: 25.923 V. Standort: Eiserne Kasse. Alter Bestand der Bibliothek

Maße: 48 x 35,5 cm (querformatig).

Ledereinband des späten 19. Jh., dieser leicht berieben, insgesamt gut erhalten.

2 Vorsatzbl., Kupfertit. (deutsch-französisch), gestoch. Druckerprivileg, gestoch. Frontispiz, Kupfertaf. 4-30, 2 Nachsatzbl.

Kupferstiche nach Zeichnungen des Joseph Emanuel Fischer von Erlach von Johann Adam Delsenbach bzw. nach einer Zeichnung des Johann Bernhard Fischer von Erlach von Christian Engelbrecht und Johann Andreas Pfeffel (Schönbrunn).

Gescannt am 29.7.2010.
Kein externes Volltext-Digitalisat verfügbar, 24.5.2010.


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Joseph Emanuel Fischer von Erlach (* (getauft am 13. September) 1693, Wien; + 29. Juni 1742, Wien)
Johann Bernhard Fischer von Erlach (* (getauft am 20. Juli) 1656, Graz; + 5. April 1723, Wien)
Johann Adam Delsenbach (* 9. Dezember 1687, Nürnberg; + 16. Mai 1765, Nürnberg)

Das vorliegende Stichwerk erschien vermutlich bereits 1713 zum ersten Mal mit nur 13 Tafeln in kleinster Auflage als Geschenk für Oberststallmeister Philipp Sigmund Graf von Dietrichstein und geht wohl auf eine Initiative des Architekten Johann Bernhard Fischer von Erlach zurück, der seinen Sohn Joseph Emanuel damit in die Hofgesellschaft einführen wollte. Wie der ebenfalls an der Herausgabe beteiligte Hofdichter und Medailleninspektor Carl Gustav Heraeus 1713 anmerkte, verfolgte die Publikation das erklärte Ziel, Wiener Gebäude und Plätze in Europa „vorzustellen“ und damit dem Beispiel anderer Städte zu folgen, die bereits früher ihre neue Architektur durch Ansichtenwerke populär gemacht hatten. Nachdem Joseph Emanuel Fischer von Erlach im Atelierbetrieb seines Vaters eine grundlegende Ausbildung als Baumeister und Graphiker erhalten hatte, fertigte er vermutlich von 1711 bis 1713 die Zeichnungen für die „Prospecte und Abriße“ an, ehe er von 1713 bis 1719 eine ausgedehnte Studienreisen unternahm, die ihn unter anderem nach Rom, Neapel, Leyden und Paris führte. Während dieser Zeit kümmerte sich Johann Bernhard Fischer von Erlach weiter um das Stichwerk, dessen zweite erweiterte Ausgabe 1715 erschien und dessen dritte und letzte, hier gezeigte Auflage schließlich 1719 mit wenigen Aktualisierungen und einem „Privilegium“, dem Vorläufer des Urheberrechtes, veröffentlicht wurde. Eine offenbar geplante Fortsetzung unterblieb, doch kann die ab 1724 auf der Grundlage der Zeichnungen von Salomon Kleiner erschienene „Wahrhaffte und genaue Abbildung“ durchaus als solche angesehen werden (> KLEINER, 1724-1737). Im Gegensatz zu dieser heute bekannteren Stichfolge steht bei den meisten Ansichten der „Prospecte und Abriße“ nicht so sehr das Stadtleben und ein nach künstlerischen Gesichtspunkten gewählter Standpunkt im Mittelpunkt des Interesses, sondern vielmehr das einzelne und deshalb auch sehr oft bildparallel und zentral dargestellte Gebäude als Werk der Architektur. Johann Bernhard Fischer von Erlach wußte um die große Bedeutung des Kupferstiches für die Förderung der eigenen Bekanntheit, wie seine 1721 veröffentlichte „Historische Architectur“ und darin vor allem das Vierte Buch mit „Gebäuden von des Autoris Erfindung“ verdeutlichen (> FISCHER VON ERLACH, 1721). Deshalb erstaunt es nicht, dass elf der 21 hier dargestellten Gebäude, darunter so bekannte wie das Stadtpalais des Prinzen Eugen und das „zweite“ Schloss Schönbrunn, wiederum auf Entwürfe von Fischer von Erlach zurückgehen. Bemerkenswert ist hingegen das völlige Fehlen von Kirchen, also auch der Karlskirche, und kaiserlicher Bauten mit Ausnahme des erwähnten Schönbrunn. Die meisten Kupferstiche für die „Prospecte und Abriße“ sind Werke des aus Nürnberg stammenden und auch dort ausgebildeten Johann Adam Delsenbach, der unter anderem auch mit Paul Decker arbeitete (> DECKER). Aufgrund der hohen Qualität seiner meist nach fremden, aber zuweilen auch nach eigenen Zeichnungen gestochenen Architekturveduten war Delsenbach ein gefragter Künstler, der auch im Auftrag des Fürsten Anton Florian von Liechtenstein und der Stadt Nürnberg Ansichtenfolgen herstellte.

Literatur:

    Zacharias, Thomas, Joseph Emanuel Fischer von Erlach, Wien 1960.
    Lorenz, Hellmut, Johann Bernhard Fischer von Erlach, Zürich, München, London, 1992.
    Sedlmayr, Hans, Johann Bernhard Fischer von Erlach, von Giovanna Curcio überarbeitete Neuausgabe der 2. Auflage von 1976, Stuttgart, 1997.
    Lorenz, Hellmut, Weigl, Huberta (Hrsg.), Das barocke Wien, Die Kupferstiche von Joseph Emanuel Fischer von Erlach und Johann Adam Delsenbach (1719), Petersberg, 2007; zur Einführung v. a. empfehlenswert: Lorenz, Hellmut: Einleitung, S. 9-12, Pozsgai, Martin, Lorenz, Hellmut, Die „Protagonisten“ des Stichwerks, S. 13-18, Lorenz, Hellmut, Würdigung, S. 18-24. Das Buch gibt zudem alle bedruckten Blätter des besprochenen Werkes in qualitativ hochwertigen Reproduktionen wieder.
    Kreul, Andreas, Fischer von Erlach, Johann Bernhard, in: Allgemeines Künstlerlexikon (lizenzierter Zugang: www.ub.tuwien.ac.at, 30.7.2010).
    Kreul, Andreas, Fischer von Erlach, Josef Emanuel, in: Allgemeines Künstlerlexikon (lizenzierter Zugang: www.ub.tuwien.ac.at, 30.7.2010).